Axel Voss und die Upload-Filter

Es wird ja immer noch um die EU-Urheberrechtsrefrom gekämpft. Sollte nicht vor der Europawahl ein positives Votum erfolgen, müsste das Verfahren nämlich komplett neu gestartet werden.

Axel Voss von der CDU ist der zuständige Berichterstatter. Er verteidigt vor allem die umstrittenen Punkte Leistungsschutzrecht, sowie die Upload-Filter. Ersteres haben wir ja schon seit einiger Zeit, ist aber im Grunde kläglich gescheitert. Eine vorgesehene Evaluation, die die Sinnlosigkeit des Gesetzes amtlich darlegt, ist bisher noch nicht durchgeführt worden. Stattdessen soll dieses “Erfolgsmodell” nun EU-weit umgesetzt werden.

Ebenso die Upload-Filter. Dabei geht es darum das Dienstebetreiber für die Urheberrechtsrechtsverletzungen ihrer Nutzer hafteten. Bisher haftet der Anbieter auch dafür, aber erst ab dem Zeitpunkt, ab dem ihn bekannt wurde, dass es sich um Urheberrechtsverletzung handelt. Das hat in der Praxis auch gut funktioniert.

Nun soll der Anbieter schon haften, so bald Daten online stehen. Herr Voss streitet zwar immer ab, dass es ihm um Upload-Filter ginge. Schließlich seien diese mit keinem Wort in dem Entwurf der Verordnung erwähnt worden. Das ist ähnlich, wie man sagt, ein Stadionbetreiber sei dafür verantwortlich, was die Zuschauer mitbringen. Natürlich werden Taschenkontrollen nicht erwähnt. Sie sind aber die einzige Möglichkeit der Umsetzung. Wenn Herr Voss nicht so weit denken kann, dann tut es mir für ihn leid.

Natürlich gefährdet eine solche Haftung auch alle möglichen Projekte, bei denen Nutzer weltweit freies Wissen zusammentragen, wie etwa Wikipedia oder OpenStreetMap. Aber es scheint ja so, dass konservative Politiker mit Sachen, die dem Gemeinwesen dienen, eher wenig am Hut haben.

Psst – nichts verraten – alles geheim

Ich arbeite als Freiwilliger bei dem Projekt OpenStreetMap (OSM) mit. Der Name ist eigentlich auf zweierlei Art und Weise falsch. Zum Einen ist es keine Karte, sondern eine Sammlung georeferenzierter Daten, aus der sich Karten erstellen lassen und zum Anderen ist diese nicht auf Straßen beschränkt. Es werden auch andere Wege, Gebäude, Adressen, Flächennutzung und Orte von Interesse (POIs) also etwa Geschäfte, Schulen oder Postkästen erfasst. Außerdem werden auch andere Infrastrukturen erfasst zum Beispiel Daten zur Stromversorgung und -generierung oder Bahninfrastruktur. Die Datenmenge ist enorm und wird ständig erweitert und aktualisiert. Was nicht gespeichert wird, sind persönliche Daten, also etwa wer wo wohnt.

Dieser Datenschatz wurde von Freiwilligen zusammengetragen und darf frei und kostenlos,unter den Bedingungen der ODbL, verwendet werden. Die Nutzer der Daten werden immer zahlreicher, immer mehr Personen, Gruppen und Firmen entdecken die Möglichkeiten der freien Daten. Leider gibt es auch immer mal wieder Leute oder Institutionen, die meinen, bestimmte Daten müssten aus unterschiedlichen Gründen gelöscht werden. Grundsätzlich für OSM die sogenannte “On-the-Ground”-Regel. Ich solle also nur Daten erfassen, die ich vor Ort überprüfen kann. Für manche Daten, wie etwa Gemeindegrenzen ist das schwierig, aber wenn ich einen Funkmast sehe, dann ist dort ein Funkmast und darf ihn auch erfassen. Und das dort ein Funkmast steht kann jeder Ort sehen, aber es gab schon mal die Bemerkung seitens einer Behörde, wir dürften den Funkmast nicht kartieren, weil der Standort ein Geheimnis sein. Wenn ich den Mast aber aus mehreren Kilometern sehen kann, wie soll das denn bitte schön ein Geheimnis sein?

Überhaupt scheint gerade in Behörden der Eindruck zu entstehen, die Daten gehören dem Beamten höchstpersönlich. Dass alle staatlichen Daten mit Steuergeldern erstellt wurden und dem Wohle der Allgemeinheit dienen sollten, ist noch nicht in viele Amtsstuben vorgedrungen. Bekommt OSM amtliche Daten, stellt sich auch immer wieder fest, daß diese Daten fehlerhaft sind. Wir melden die Fehler natürlich auch gerne an die Behörden zurück, damit die amtlichen Daten der Realität angepasst werden können.

Gerne melden sich auch mal Jäger, die ihre Hochsitze nicht in OSM sehen möchten. Schließlich könnten ja militante Tierschützer, die Hochsitze ansägen. Dass diese “Tierschützer” die Hochsitze auch ohne OSM ansägen könnten, verstehen diese zumeist älteren Herren wohl nicht.

Haben bestimmte Gruppen keine Lust, mit OSM zusammen zu arbeiten, wir oft fälschlicherweise der Datenschutz vorgeschoben. Ein andere OSMler fragte etwa mal an, ob er eine Liste sämtlicher Apotheken in Schleswig-Holstein bekommen könnte, zum Abgleich der Daten. Diese Liste verweigerte die Apothekenkammer mit dem Hinweis auf den Datenschutz. Was an Anschriften von Apotheken schützenswert sein soll, wurde allerdings nicht erläutert.

Es wird in letzter Zeit auch immer mehr mit dem Argument “Sicherheit vor Anschlägen” gedroht, um Daten aus der Datenbank entfernen zu lassen.

Aktuell macht irgendein Wasserversorger mal wieder ein Fass auf und meint, die Daten zur Lage der Wasserleitungen wären geheim. Sonst könnte ja irgendein böser Mensch was Schlimmes mit den Wasserleitungen machen. Anscheinend scheint der Versorger nicht zu wissen, daß seine Wasserleitungen zwar unterirdisch liegen, man aber trotzdem ganz leicht herausfinden kann wo sie liegen. Überall sind im Boden Absperrventile und Hydranten. Auch bei Tiefbauarbeiten kann man leicht erkennen wo sie liegen. Wer also etwas Schlimmes machen will, kann das auch ganz ohne OSM. Er muß einfach nur selbst die Augen aufmachen.

Vielleicht kann OSM ja auch hier helfen, die amtlichen Daten zu verbessern. Denn auch bei den Versorgern sieht die Datenlage nicht immer gut aus. Wie oft kommt es vor das ein Bagger ein Kabel oder ein Rohr durchtrennt, weil es nirgendwo eingetragen war? Trauriger Höhepunkt war ein Unglück vor einigen Jahren in Itzehoe, bei dem vier Menschen starben, weil ein Bagger eine Gasleitung beschädigte, die auch nicht in den ach so korrekten und ach so geheimen amtlichen Daten erfasst war.

Wikipedia und die Lösch-Admins

Ich bin Freund von Open Source und freiem Wissen. Projekte wie Wikipedia oder OpenStreetMap sammeln weltweit das Wissen Vieler und stellen es Allen kostenlos und frei zur Verfügung.

Was mich insbesondere bei der deutschen Wikipedia stört, sind die restriktiven Regeln und deren noch restriktivere Auslegung und Kontrolle durch die Admins. Nahezu jeder neue Artikel wird mit einem Löschantrag oder Schnelllöschantrag bedacht. Wer das nicht kennt, der soll sich mal die Liste der aktuellen Löschdiskussionen ansehen. Anscheinend gibt es dort einen Wettbewerb, wer wie schnell die meisten Löschanträge stellt.

Die zwei meist genannten Kriterien für die Löschanträge sind “keine Relevanz” oder “schlechter Artikel”. Für “Relevanz” im Sinne der deutschen Wikipedia gibt es einen Haufen Regeln. Fiktionales ist hier überhaupt nicht zugelassen. Für Personen gibt es auch strenge Richtlinien. Das führte 2014 zu der absurden Situation daß, ein Artikel über Lila Tretikov, die damals die Geschäftsführung der internationalen Wikimedia-Foundation (die Oganisation hinter der Wikipedia), gelöscht werden sollte. Tretikov wäre “nicht relevant”. Die Diskussionen über die Relevanz sind teilweise noch recht sachlich. Schlimm sind aber die Diskussionen, über Artikel, die nicht den Qualitätsansprüchen entsprechen. Das ist echt peinlich, was dort in den Diskussionen steht. Daß ein Artikel vielleicht nicht gleich hundertprozentig fertig ist, ist doch normal. Man fängt an und dann wird der Artikel ergänzt und verbessert. Das war auch schon bei den allerersten Wikipedia-Artikeln so. Vor allem vor dem Hintergrund, daß neue Artikel noch wegen angeblich fehlender Relevanz gleich gelöscht werden, kann man die Autoren verstehen, daß sie nicht gleich stundenlang an einem Artikel schreiben, der sowieso bald wieder verschwindet.

Man könnte bei einem neuen Artikel auch aufrufen, diesen zu erweitern, gegen zu lesen und zu korrigieren. Aber man startet lieber eine Lösch-Diskussion.

Warum wundert man sich eigentlich, daß die Artikelanzahl der deutschen Wikipedia nicht nennenswert wächst und die Autorenanzahl sogar abnimmt?

Ich habe das Gefühl, daß OpenStreetMap (OSM) da offener ist. Es gibt wenig, was dort nicht gewünscht ist (z.B. personenbezogene Daten oder sich schnell verändernde Daten). Eine richtige Relevanzdiskussion habe ich bisher noch mitbekommen. Außerdem werden “Neulinge” oft von anderen Teilnehmern unterstützt, damit diese nicht so viele Fehler machen. Es gibt auch nur eine sehr niedrige Hierarchie. Außer den normalen Usern, gibt noch die “Data Working Group”, die in Konfliktfällen User temporär oder dauerhaft sperren können. Die meisten Sperrungen, die hier einsehbar sind, werden allerdings automatisch aufgehoben, wenn der User die entsprechende “Verwarnung” gelesen hat.

Indiens eigene Sicht der Welt

Indien ist auf dem Wege freies Wissen zu zensieren. Es sollen nur noch lizenzierte Kartendienste zugelassen sein. Und zwar solche die, die indischen Grenzen so zeigen, wie es die indische Regierung für richtig hält.

Strittige Grenzverläufe dürfen nicht gezeigt werden. Damit wäre dann auch OpenStreetMap in Indien illegal. Damit befände sich Indien in bester Gesellschaft. auch China darf nur staatlich genehmigtes Kartenmaterial verwendet werden. Ihr eigenes Koordinatensystem haben sie auch,  GPS ist verboten und Google und Co beugen sich der Zensur Chinas und zeigen nur eingeschränkte, verfälschte und verschobene Daten.

OpenSource-Nutzung von Militär und Geheimdiensten

Beim Beitrag Hackerethik vom CCC-Podcast Chaosradio ging es darum, ob man Nutzung von Open-Source-Software (OSS) durch Geheimdienste und Militär einschränken/verbieten sollte und wie man das machen könnte. Im Grunde genommen ist der Ansatz ja nicht schlecht: Ich habe es etwas geschaffen, was der Allgemeinheit dient, allerdings soll es nicht von “den Bösen” genutzt werden dürfen.

Da ist aber schon eine große Unklarheit: Wer sind “Die Bösen”? Die Teilnehmer des Podcastes waren überwiegend der Meinung, daß Militär und Geheimdienst dazugehören. Aber auch diese Klassifizierung finde ich schon schwierig. Zählt denn als Militär auch eine Miliz, die gegen einen Diktator kämpft? Will man dieser die Nutzung OSS verbieten? Das muß ja keine Software sein, die direkt in Waffensystemen benutzt wird; das könnte auch einfach eine Bilbliothek sein, die ein E-Mail-Programm nutzt.

Ich bin auch grundsätzlich gegen Gewalt. Ich habe den Wehrdienst verweigert. Bei einem Vorbereitungstreffen wurden auch Fragen gestellt, die man eventuell beim Verweigerungsausschuß zu hören bekommt. Das sind stets Sitautionen, in denen man der einzige ist, der verhindern kann, daß zum Beispiel die ganze Familie/das ganze Dorf getötet werden, in dem man den/die Angreifer mit Waffengewalt davon abhält. Bei einer Weigerung, die Waffe zu benutzen, wird die Situation verschärft. Irgendwann sollte jeder Normaldenkende einsehen, daß es Situationen geben kann, in denen man sich mit Waffengewalt verteidigen muß.

Ich bin der Meinung, daß man freies Wissen nicht einschränken sollte. Jede Einschränkung verhindert Interoperabilität. Wir haben jetzt schon so viele inkompatible freie Lizenzen. Wenn ich etwas für die Allgemeinheit schaffe, dann soll es auch von jedem uneingeschränkt nutzbar sein, deswegen tendiere ich zu Public-Domain bzw. CC0. Wenn das ansonsten weiter denkt, wird es immer mehr Einschränkungen geben. Da gibt es vielleicht jemanden der, verständlicherweise, nicht möchte, daß seine Programme von Neonazis genutzt werden. Ein anderer Entwickler, der in den USA sitzt und generell gegen Moslems ist und sich völlig im Recht sieht, möchte nicht, daß diese seine Programme nutzen. Für einen saudiarabischen Programmierer, sind vielleicht alle westlichen Bürger und Christen die Bösen.

Man sollte solche Bewertungen aus OSS und anderem freien Wissen (Wikipedia, OpenStreetMap) heraus halten. Wenn die NPD mit OSM und meinen dortigen Eintragungen Anfahrtspläne für ihre Demo macht, gefällt mir das auch nicht. Aber so ist das halt bei OpenSource; es ist frei und ich kann, soll und darf nicht die Nutzung, aus irgendwelchen Gründen verhindern.

Ich mache das solange, wie ich überzeugt, dass die positive Nutzung überwiegt. Man sollte als Entwickler auch kein schlechtes Gewissen haben, nur weil zum Beispiel ein selbst entwickelter Komprimierungsalgorithmus in einer Überwachungssoftware genutzt wird. Solange man nicht direkt die Steuerung von Atomsprengköpfen programmiert, ist doch alles in Ordnung.